Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Koblenz - Aachen nach Izbica

Abfahrtsdatum: 22.03.42, Deportierte: 965

Nach den Verschleppungen von mehr als 32000 deutschen Juden nach Litzmannstadt, Minsk, Kowno und Riga im Herbst/Winter 1941/42 wurden in einer neuen Deportationswelle zwischen März und Juni 1942 annähernd 21000 jüdische Menschen aus Deutschland in die Gettos und Lager des Generalgouvernements gebracht. Mit ihnen kamen 14000 Deportierte aus Theresienstadt, 6000 aus Wien sowie 40000 aus der Slowakei.


Der erste Deportationszug aus Deutschland verließ am 22.3.42 die Regierungsbezirke Aachen und Koblenz mit mindestens 965 Menschen in Richtung Izbica. Diese Angabe ergibt sich aus der Monatsstatistik der Reichsvereinigung für den März 1942 unter Berücksichtigung einer Korrektur für Aachen im April. Nach den Unterlagen der Reichsvereinigung wurden aus Aachen 626 und aus Koblenz 338 Menschen deportiert. In der Transportliste der Gestapo, die sich für den Stadt- und Landkreis Koblenz erhalten hat, ist zusätzlich ein Deportierter mit letztem Wohnsitz in Frankfurt/Main aufgeführt, der Schlosserlehrling Egon Heymann (Nr. 49), der für die Deportation zu seiner Familie nach Bendorf zurückgeführt wurde. Insgesamt sind in dieser Liste 337 Menschen aufgeführt, die "am 22.3.1942 ausgewandert sind und somit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben". Bei 96 Personen ist als Adresse die Hindenburgstr. 49 in Bendorf-Sayn angegeben, in der sich die jüdische Heil- und Pflegeanstalt (vormals "Jacoby'sche Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Sayn bei Koblenz") befand. Von ihnen waren 85 "ohne Beruf" und somit vermutlich Insassen der Anstalt. Die Deportationsliste, die nachstehend abgebildet ist, befindet sich im Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 717/919.

Orte, aus denen deportiert wurde (nach obiger Liste)









Arenberg

1


Frankfurt/Main

1


Mülheim

27

Bassenheim

8


Immendorf

7


Urmitz

10

Bendorf

10


Kärlich

6


Vallendar

27

Bendorf-Sayn

99


Kobern

13




Dieblich

5


Koblenz

123




Im Regierungsbezirk Aachen wohnten am 1.10.41 noch 1167 Juden, nach dem Transport vom 22.3. hatte sich die Zahl auf 457 am 1.4.42 verringert. Seit dem Frühjahr 1941 wurden jüdische Einwohner in "Judenhäuser" und Lager innerhalb der Landkreise zwangsweise umgesiedelt, so im Landkreis Aachen nach Eschweiler, Haaren, Walheim und von dort im November 1941 nach Stolberg in das Lager in der Rhenaniastr., im Landkreis Düren nach Düren (Gerstenmühle), Düren-Rölsdorf (Napps Fabrik) und Lendersdorf (Thuirsmühle), im Landkreis Erkelenz nach Hetzerath (Haus Spiess), im Landkreis Geilenkirchen-Heinsberg nach Setterich (Haus Elkan), im Landkreis Jülich nach Kirchberg (Villa Buth) und im Landkreis Schleiden nach Kalenberg (Haus Risa). Die annektierten Gebiete von Eupen und Malmedy sowie der Landkreis Monschau galten bereits in der zweiten Jahreshälfte 1940 als "die judenfreien Kreise des Regierungsbezirks Aachen" [K. Wülfrath, in: Rheinische Heimatpflege, Heft 3/1940, S. 210-218]. Dennoch waren auch zwei Familien aus der Stadt und dem Landkreis Eupen von der Aachener Deportation des 22.3.42 betroffen.


Über die Namen der Deportierten aus dem Regierungsbezirk Aachen geben nur wenige Unterlagen Auskunft. So verzeichnen die Hausstandsbücher der Aachener "Judenhäuser" in der Kalverbenden 87 und Eupenerstr. 249 die Namen von 27 bzw. 25 Personen, die im fraglichen Zeitraum "unbekannt ausgewandert" sind. Eine große Zahl der aus Aachen am 22.3. deportierten Juden befand sich darüberhinaus im Barackenlager am Grünen Weg, in das sie im Frühjahr 1941 eingewiesen worden waren. Aus dem Lager in der Rhenaniastr. in Stolberg bei Aachen wurden am 20./21.3. insgesamt 20 jüdische Zwangsarbeiter für die bevorstehende Deportation zu ihren früheren Wohnorten abgemeldet. In Nachkriegslisten, die anhand von Hausbüchern erstellt wurden, finden sich die Namen von 25 Juden, die am 22.3. aus Eschweiler "nach unbekannt" abgemeldet wurden. 10 von ihnen waren aus Hoengen nach Eschweiler zwangsumgesiedelt worden. Die Liste der Deportierten aus Stolberg ist nachfolgend in einer Kopie aus dem Stadtarchiv Stolberg, Bestand Stolberg 2137, abgebildet. Die Listen zu Eschweiler stammen aus den Arolsen Archives.

Stolberg

Eschweiler

Neben Angaben zur Stadt und dem Landkreis Aachen befinden sich in den Arolsen Archives auch, oft lückenhafte, Nachkriegslisten zu den übrigen Landkreisen im Regierungsbezirk, die Hinweise auf die Deportation vom 22.3.42 enthalten. Exemplarisch hier abgebildet sind Listen aus Heinsberg (Landkreis Geilenkirchen-Heinsberg) mit den Namen von 26 Menschen, die am 22.3. nach Aachen abgemeldet wurden, sowie aus dem Amtsbezirk Kall (Landkreis Schleiden) mit den Namen von 6 Menschen, die am 21.3. aus Kall und Kalenberg "unbekannt ausgewandert" sind.

Heinsberg

Kall

Die Namen und Herkunft der aus dem Regierungsbezirk Aachen deportierten Menschen können weitestgehend rekonstruiert werden. Zu berücksichtigen ist hierfür, dass es zwei Transporte aus Aachen nach "Osten" gab, den vom 22.3.42 nach Izbica und den vom 15.6.42 nach Sobibor. Die Rekonstruktion der Transportliste nach Sobibor (siehe hier) ermöglicht die Überprüfung der rekonstruierten Namensliste für den Transport nach Izbica, und umgekehrt. Dennoch können vereinzelt noch unkorrekte Angaben in den rekonstruierten Listen enthalten sein. Die Namen der über Aachen nach Theresienstadt deportierten Menschen sind dagegen aus den dortigen Zugangslisten vollständig bekannt und können für die Rekonstruktion der Transporte nach "Osten" ausgeschlossen werden.


Wertvolle Informationen und Hinweise für die Rekonstruktion der Transportliste vom 22.3.42 liefern neben den Arolsen Archives insbesondere die Dokumentation des Stadtarchivs Aachen, des Gedenkbuchprojekts Aachen, des Projekts Familienbuch Euregio, des Stadt- und Kreisarchivs Düren sowie der Dürener Geschichtswerkstatt. Als hilfreich zur Klärung einzelner Schicksale können dazu die im LA NRW in Duisburg vorhandenen Wiedergutmachungsakten einbezogen werden. Eine wichtige Unterstützung bilden darüberhinaus Regional- und Lokalstudien, von denen die folgenden Arbeiten stellvertretend genannt werden sollen: N. Naor, N. Robrock, Erinnerung, Düren 1994; F.-J. Brandenburg, Die Juden von Nideggen, 1989; K. Schnitzler, K.-J. Nolden, Kindertransporte, Düren 2015 (alle zum Landkreis Düren); H. Rütten, Jüdisches Leben im ehemaligen Landkreis Erkelenz, Erkelenz 2008 (zum Landkreis Erkelenz); H. Spelthahn, Entrechtet - entwurzelt - ermordet, Jülich 2006; T. Ohrndorf , I. Gedig (Hrsg.), Villa Buth, Jülich 2019 (beide zum Landkreis Jülich); H.-D. Arntz, Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet, Euskirchen 1990 (zum Landkreis Schleiden).

Orte, aus denen deportiert wurde (nach obiger Liste)









Aachen

241


Gladbach

3


Mausbach

2

Arnoldsweiler

4


Gressenich

5


Mechernich

3

Baal

6


Gürzenich

1


Merken

7

Baesweiler

6


Haaren

12


Müntz

1

Birkesdorf

3


Heinsberg

18


Nideggen

6

Boslar

6


Hochkirchen

13


Pier

2

Brand

6


Hompesch

3


Schleiden

1

Broichweiden

2


Höngen

11


Setterich

9

Drove

17


Jülich

9


Stolberg

2

Dürboslar

1


Kalenberg

7


Untermaubach

5

Düren

92


Kall

2


Vettweiß

11

Embken

1


Kelz

2


Waldenrath

9

Erkelenz

9


Körrenzig

3


Walhorn

2

Eschweiler

13


Kreuzau

4


Wassenberg

6

Eupen

4


Langerwehe

5


Wegberg

7

Geilenkirchen

3


Lendersdorf

3


Weisweiler

4

Gerderhahn

2


Linnich

19


Würselen

5

Gey

6


Mariaweiler

2




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