Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Frankfurt/Main - Wiesbaden nach Majdanek/Sobibor

Abfahrtsdatum: 11.06.42, Deportierte: 1254

Wie für den Kasseler Transport vom 1.6.42 ist auch für den Deportationszug vom 11.6.42 aus Frankfurt/Main, Wiesbaden sowie weiteren Städten und Gemeinden des Regierungsbezirks Wiesbaden das Ziel der Deportation bisher nicht genau bekannt. Da jedoch für die zehn in der Zeit vom 1.-14.6. aus der Slowakei abgegangenen Züge sowie für den Transport aus Wien vom 14.6. dokumentarisch belegt ist, dass diese über Lublin direkt in das Vernichtungslager Sobibor geleitet wurden [Slovenský národný archív, fond 209, kartón 864-1, zit. nach: Holokaust na Slovensku 4, Bratislava 2003, S. 221; Yad Vashem Archives, O.51/88], kann dies für die erste Junihälfte 1942 auch von den Zügen aus dem "Altreich" vermutet werden, womit zugleich in allen drei Deportationsgebieten die Verschickungen in die Durchgangslager des Distrikts Lublin ein Ende fanden. Aus dem Transport vom 11.6.42 sind wie bei den beiden Frankfurter Deportationen vom Mai 1942 männliche Transportteilnehmer in Lublin für das Konzentrationslager Majdanek selektiert worden.


In Bezug auf die Zahl der Deportierten liegen mehrere Teilangaben vor. So gibt der Polizeipräsident von Frankfurt/Main 618 Juden an, die aus der Stadt "am 11.6.1942 evakuiert" wurden [IfS Frankfurt/Main, Magistratsakten 5.897]. In der Statistik der Reichsvereinigung wird leicht abweichend von 612 Deportierten aus dem Bereich der Kultusvereinigung Frankfurt berichtet. Die den Arolsen Archives in einer Abschrift aus dem Polizeipräsidium Frankfurt/Main vorliegende Namensliste des Frankfurter Teiltransports ist unvollständig. Dort verzeichnet sind die Namen von 191 Menschen mit den Anfangsbuchstaben von A-K.

Nach einer Anweisung der Gestapo Frankfurt/Main an die Landräte des Regierungsbezirks Wiesbaden hatten die zum Abtransport bestimmten Juden bis zum 10.6., 19 Uhr, im Sammellager in der Frankfurter Großmarkthalle einzutreffen [Historisches Archiv der Stadt Herborn, Slg. Schicksal Herborner Juden, zit. nach K. Porezag, Als aus Nachbarn Juden wurden, Wetzlar 2006, S. 100]. Für die Stadt Wiesbaden ist eine Liste "Evakuierte Juden vom 10.Juni 1942" mit 371 aufgeführten Personen bekannt [HHStA Wiesbaden, ohne Signatur]. In Bezug auf die übrigen Orte des Regierungsbezirks Wiesbaden gibt es in zeitgenössischen Dokumenten nur wenige Angaben, so den Nachweis von 32 Deportierten aus 7 Gemeinden des Main-Taunuskreises [HHStA Wiesbaden, 425/432] sowie von 20 Deportierten aus dem Oberwesterwaldkreis, darunter 11 aus Westerburg und 9 aus Meudt [LHA Koblenz, 806/1].


Aus mehreren Landkreisen liegen jedoch Nachkriegsaufstellungen vor. Eine Liste des Landrats des Kreises Biedenkopf verzeichnet 14 Menschen, die am 10.6. aus Niederweidbach "nach Frankfurt/M. zur Auswanderung" abgemeldet wurden. Aus dem Dillkreis ist die Deportation von 9 jüdischen Einwohnern der Stadt Herborn bekannt. Im Landkreis St. Goarshausen befand sich das Lager Tagschacht in Oberlahnstein-Friedrichssegen, aus dem 26 Menschen am 10.6. polizeilich "nach dem Osten" abgemeldet wurden. Im Unterwesterwaldkreis wurde ein jüdischer Einwohner aus Höhr-Grenzhausen am 10.6. nach Frankfurt/Main abtransportiert. Im Landkreis Usingen waren 5 Menschen aus der Gemeinde Rod am Berg betroffen. Nach einer Liste des Finanzamts Wetzlar wurden auch 92 Bewohner aus 17 Orten des Landkreises Wetzlar am 11.6.42 deportiert.


Die Liste der Deportierten aus Wiesbaden ist hier in einer Kopie aus dem USHMM (RG-14.054, Reel 2) abgebildet, die des Main-Taunuskreises in einer Kopie des Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Bestand 425, Nr. 432. Alle weiteren Reproduktionen stammen aus den Arolsen Archives.

Die Gesamtzahl der Deportierten am 11.6.42 kann mit Hilfe der Statistik der Reichsvereinigung ermittelt werden. Diese verzeichnete im Juni 1942 insgesamt 1563 Deportierte aus den Bereichen der Kultusvereinigung Frankfurt/Main und der Bezirksstelle Hessen-Nassau. Enthalten sind in dieser Summe allerdings auch die am 1.6.42 aus dem südlichen Teil des Regierungsbezirks Kassel deportierten Menschen. Unter Einbeziehung der von der Reichsvereinigung für die Bezirksstellen Hannover-Kassel und Sachsen-Thüringen registrierten 200 Deportierten aus dem Kasseler Transport und nach Abzug der bekannten Transportstärke von 508 (siehe hier) ergibt sich eine Zahl von 1255 Personen im Frankfurt-Wiesbadener Transport vom 11.6. Unter Berücksichtigung einer Korrektur in der Statistik des Folgemonats verbleiben 1254 Deportierte.


Die so ermittelte Zahl wird durch Angaben in der Literatur gestützt [M. Kingreen, in: Nassauische Annalen 2003 (114), 307]. Allerdings ist die Statistik der Reichsvereinigung für den Monat Juni 1942 nur unvollständig erhalten und teilweise nicht eindeutig auswertbar. So scheint es eine Unstimmigkeit in der Zuordnung der Deportierten des Kasseler Transports zu den Bezirksstellen Hessen-Nassau und Hannover-Kassel zu geben. Von den registrierten 1563 Deportierten aus den Bereichen der Kultusvereinigung Frankfurt/Main und der Bezirksstelle Hessen-Nassau wären laut der Kasseler Transportliste (siehe hier) 274 Personen abzuziehen, die aus dem südlichen Teil des Regierungsbezirks stammten. Somit ergäbe sich eine Gesamtzahl von sogar 1289 Deportierten im Frankfurt-Wiesbadener Transport. Andererseits wurden von der Reichsvereinigung für den Bereich der Bezirksstelle Hannover-Kassel, zu der der nördliche Teil des Regierungsbezirks Kassel gehörte, lediglich 191 Deportierte im Juni 1942 angegeben, d.h. 34 weniger, als sich aus der Kasseler Transportliste ergeben würde. Der Widerspruch war bisher nicht zu klären.

Wiesbaden

Landkreis St. Goarshausen

Landkreis Biedenkopf

Unterwesterwaldkreis

Dillkreis

Main-

Taunuskr.

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Landkreis Wetzlar

Landkreis Usingen*

 * Deportationsjahr im Dokument nicht korrekt.