Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Gelsenkirchen - Bielefeld - Hannover - Braunschweig nach Warschau

Abfahrtsdatum (Hannover): 01.04.42, Deportierte: 600 (nur Hannover - Braunschweig, Gesamtstärke: 1000)

Der zweite Transport aus Hannover sollte ursprünglich bereits im Januar 1942 abgehen, wurde aber "aus betriebstechnischen Gründen" zurückgestellt [HStAH, Hann. 210 Acc. 160-98, Nr. 10]. Die "Abschiebung der noch in Hannover einschließlich Hildesheim verbliebenen evakuierungsfähigen Juden" war laut vertraulicher Anweisung der Staatspolizeileitstelle Hannover vom 19.3. schließlich für den 31.3. mit dem Ziel Trawniki geplant. "Der Transportzug D a 6 (sogenannter Koppelzug) wird fahrplanmäßig am 31.3.1942 um 12.12 Uhr in Gelsenkirchen eingesetzt und trifft mit 400 Juden der Staatspolizeileitstelle Münster um 18.15 Uhr in Hannover, Bahnhof Fischerhof, ein. Hier erfolgt die Zuladung der für Hannover (Hildesheim) abzuschiebenden 500 Juden... Um 18.36 Uhr fährt der Transportzug nach Braunschweig weiter und trifft dort um 20.05 Uhr ein. Die Staatspolizeistelle Braunschweig ladet die von ihr für den Transport vorgesehenen Juden (116) und das zugehörige Gepäck zu, so daß die endgültige Weiterfahrt des D a 6-Transportzuges nach Trawniki bei Lublin um 20.16 Uhr erfolgen kann." [NLA Hannover, Hann. 174 Springe III, Nr. 113]


Die Planung der Gestapo sah weiterhin vor, dass "wie beim I. Transport ... auch die für den II. Transport bestimmten Juden aus dem Bereich der Staatspolizeileitstelle (Regierungsbezirke Hannover und Hildesheim) einige Tage vor der Abfahrt des Sonderzuges (D a 6) im Sammellager Ahlem (Israelitische Gartenbauschule) am westlichen Stadtrand von Hannover zusammengefaßt werden." Aus der Stadt Hannover sollten die Menschen bis zum 23.3. nach Ahlem überführt werden, aus dem Regierungsbezirk Hildesheim am 27.3. und aus den Landkreisen des Regierungsbezirks Hannover am 28.3.42 [NLA Hannover, Hann. 174 Springe III, Nr. 113].


Aufgrund einer mehrstündigen Verspätung des aus Westfalen in Hannover eintreffenden Transportzuges fuhr dieser erst am 1.4. morgens in Richtung Braunschweig weiter. Die in den Unterlagen des Oberfinanzpräsidenten Hannover erhalten gebliebene Transportliste der Gestapo umfasst die Namen von 491 Menschen, davon 251 aus dem Regierungsbezirk Hannover und 240 aus dem Regierungsbezirk Hildesheim, einschließlich 19 Personen aus dem Landkreis Holzminden, der am 1.8.41 vom Land Braunschweig zur Provinz Hannover übergegangen war. Die Monatsstatistik der Reichsvereinigung verzeichnete übereinstimmend 491 Deportierte im April 1942 für die Gestapobereiche Hannover, Hildesheim und Braunschweig. Das Original der nachfolgend reproduzierten Gestapoliste befindet sich im Niedersächsischen Landesarchiv, Bestand NLA Hannover Hann. 210 Acc. 160/98 Nr. 17 fol. 58-82.

OT420401-21 OT420401-22 OT420401-23 OT420401-24 OT420401-25 OT420401-26 OT420401-27 OT420401-28 OT420401-29 OT420401-30 OT420401-31 OT420401-32 OT420401-33 OT420401-34 OT420401-35 OT420401-36 OT420401-37 OT420401-38 OT420401-39 OT420401-40 OT420401-41 OT420401-42 OT420401-43 OT420401-44 OT420401-45

Orte, aus denen deportiert wurde (nach obiger Liste)









Adelebsen

6


Gronau/Leine

2


Nienburg

16

Ahlem

43


Hachmühlen

1


Nordstemmen

1

Bad Münder

2


Hahnenklee-Bockswiese

1


Obernkirchen

1

Bad Pyrmont

6


Hameln

13


Ottenstein

6

Bad Rehburg

6


Hannover

23


Pattensen

7

Barsinghausen

2


Hann.-Münden

15


Peine

9

Beckedorf

2


Hedemünden

1


Pohle

2

Bovenden

4


Hemmendorf

3


Rehburg

2

Bücken

1


Hessisch Oldendorf

3


Rinteln

23

Dassel

3


Hildesheim

62


Rössing

4

Diepholz

8


Hoya

10


Sachsenhagen

13

Dransfeld

6


Hülsede

1


Sarstedt

7

Duderstadt

6


Langenhagen

3


Springe

1

Eimbeck

2


Lauenau

4


Stadthagen

1

Eldagsen

4


Lauenförde

4


Stadtoldendorf

13

Freden/Leine

2


Leese

4


Stolzenau

9

Gehrden

2


Lemförde

1


Twistringen

3

Gestorf

3


Lüthorst

2


Uchte

2

Gleidingen

6


Messenkamp

3


Wunstorf

15

Göttingen

79


Misburg

3




Grohne

1


Moringen

3




In Braunschweig sollten laut Gestapoplanung vom 19.3. ursprünglich 116 Juden in den Transportzug steigen. Die tatsächliche Zahl ergibt sich aus der Nachmeldung in der Statistik der Reichsvereinigung für den Mai 1942. Hiernach sind 109 Menschen aus dem Land Braunschweig deportiert worden. Die meisten Menschen kamen aus den Städten Braunschweig und Wolfenbüttel. Eine Teilliste mit 33 Namen ist für den Bereich des Finanzamts Wolfenbüttel erhalten geblieben, siehe die Kopie aus dem Niedersächsischen Landesarchiv, Bestand NLA Hannover Hann. 210 Acc. 160/98 Nr. 9 fol. 217-218. Von den dort verzeichneten Personen kamen 32 aus Wolfenbüttel, Josefa Goldschmidt wohnte in Bad Harzburg. Das Finanzamt in Blankenburg (Harz) meldete die "Abschiebung des Chron und seiner Familie”. Hierbei handelte es sich um Jak Crohn mit seiner Ehefrau Johana und dem Sohn Rolf. Aus Goslar wurden Max und Gertrud Jacob sowie Helene Winter deportiert [NLA Hannover, Hann. 210 Acc. 160/98, Nr. 5]. Aus einer Nachkriegsaufstellung im Archiv des ITS ergibt sich zudem, dass 7 Mitglieder der Familie Wolff am 31.3.42 aus der Stadt Schöningen nach "unbekannt" verzogen sind.


In der nachfolgend rekonstruierten Transportliste sind die Namen der 109 deportierten Menschen vom 1.4.42 aus dem Land Braunschweig verzeichnet. Für die Stadt Braunschweig konnten mit Hilfe von Angaben in der Literatur [Brunsvicensia Judaica, Braunschweig 1966; R. Bein, Sie lebten in Braunschweig, Braunschweig 2009], ergänzt durch Hinweise von Reinhard Bein und Frank Ehrhardt, sowie unter Berücksichtigung der Einträge auf den teilweise überlieferten Meldekarten jüdischer Einwohner [StadtA Braunschweig] die Namen von 63 Betroffenen ermittelt werden.

Insgesamt wurden mit dem "Koppelzug" vom 31.3./1.4.42 aus Westfalen 400 (siehe hier) und aus den Regierungsbezirken Hannover und Hildesheim sowie dem Land Braunschweig 600 Menschen verschleppt. An seinen Amtskollegen in Münster meldete der Oberfinanzpräsident in Hannover: "Die abgeschobenen Juden haben am 2. April die Reichsgrenze überschritten." [NLA Hannover, Hann. 210 Acc. 160/98, Nr. 1] In Abänderung des ursprünglichen Transportziels Trawniki wurden die Menschen in das Warschauer Getto gebracht. Adam Czerniaków vom Warschauer Judenrat verzeichnete in seinem Tagebuch unter dem 1.4.42: "Der Kommissar rief an, nachts um 11:30 Uhr treffe ein Transport mit 1000-2000 Juden ein. Bis nachts um 12 wußten wir nicht, wann und auf welchem Bahnhof sie ankommen. Um 12 teilte A[uerswald] mit, daß sie in einer halben Stunde ankommen werden... Gegen Morgen wurden etwa 1000 Deportierte aus Hannover, Gelsenkirchen usw. hergeschafft... Alte Leute, viele Frauen, kleine Kinder." [A. Czerniaków, Im Warschauer Getto, München 1986, S. 240].

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OT420401-W1 OT420401-W2

Wolfenbüttel und Bad Harzburg

Schöningen

Land Braunschweig