Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Bielefeld - Osnabrück - Hamburg - Berlin nach Auschwitz

Abfahrtsdatum: 10.07.42, Deportierte: 103 (nur Westfalen, Gesamtstärke: 1005)

Der erste Sammeltransport aus dem Deutschen Reich in das Konzentrationslager Auschwitz nahm seinen Anfang in Westfalen. Am 10.7.42 wurde ein Teiltransport von Bielefeld nach Hamburg überführt, von wo der Zug am 11.7. mit Zwischenhalt in Ludwigslust weiter nach Berlin fuhr. Die besonderen Umstände des Sammeltransports sind in den Ausführungen zu den Teiltransporten aus Hamburg und Berlin dargestellt. Neben Juden aus dem Gestapobereich Bielefeld (Regierungsbezirk Minden, Länder Lippe und Schaumburg-Lippe) wurden auch Menschen aus den Gestapobereichen Osnabrück und Münster an den Teiltransport aus Westfalen angeschlossen. Während die Münsteraner in das Sammellager für die Bielefelder Juden im Lokal Kyffhäuser nach Bielefeld gebracht wurden, ist nicht sicher, wo die Menschen aus Osnabrück den Deportationszug besteigen mussten [M. Decker, K.-U. von Hollen, in: Ravensberger Blätter, Heft 1, 2010, S. 1-25].


Eine Transportliste für Westfalen liegt, abgesehen von Teillisten (siehe unten), nicht vor. Die Zahl der Deportierten aus Westfalen kann jedoch mit Hilfe der Statistik der Reichsvereinigung ermittelt werden. Diese verzeichnete in Nachmeldungen vom August 1942 eine Gesamtzahl der Deportierten für die Transporte vom 10.7. nach Auschwitz und vom 31.7. nach Theresienstadt. Aufgrund der bekannten Angaben für den Transport nach Theresienstadt (siehe hier) kann die Zahl der Deportierten nach Auschwitz wie folgt bestimmt werden:

OT420710-S1

Gestapobereich innerhalb

Deportierte insgesamt

nach Auschwitz

nach Theresienstadt

der Bezirksstelle Westfalen

(Statistik vom August 1942)

am 10.7.42

am 31.7.42





Bielefeld

676

86

590

Dortmund

2 [1]

2

0

Münster

220

3

217

Osnabrück

106

12

94

Gesamt

1004

103

901

[1] Der Transport vom 29.7.42 aus dem Gestapobereich Dortmund nach Theresienstadt wurde in der Monatsstatistik der Reichsvereinigung vom Juli 1942 mit 808 Deportierten registriert, was mit den Angaben in der Transportliste übereinstimmt (siehe hier). Die im August für Dortmund gemeldeten 2 Deportierten können sich demnach nicht auf eine Nachmeldung zum Transport vom 29.7. beziehen.

Die auf diesem Weg ermittelte Zahl der Deportierten aus den Gestapobereichen Bielefeld und Osnabrück sollte als korrekt angesehen werden, da hier die Eingangsliste aus Theresienstadt eine eindeutige Aussage zu den am 31.7. deportierten Menschen zulässt. Für Osnabrück wird die Angabe von 94 Deportierten nach Theresienstadt zudem in einem Schreiben der Bezirksstelle Westfalen an den Oberfinanzpräsidenten in Hannover bestätigt [NLA Hannover, Hann. 210 Acc. 160/98, Nr. 3]. Allerdings ist in einer handschriftlichen Notiz in den Unterlagen des OFP vermerkt, dass nicht 12, wie in obiger Tabelle ermittelt, sondern 10 Menschen aus dem Gestapobereich Osnabrück deportiert wurden, davon aus Alfhausen 2, Lingen 2, Neuenhaus 1 und Sögel (Lathen) 5 Personen [NLA Hannover, Hann. 210 Acc. 160/98, Nr. 3]. Die Abweichung in den Angaben der RV wird unten diskutiert.


Die nachstehend abgebildete Transportliste wurde anhand von Unterlagen im Archiv des ITS, des Niedersächsischen Landesarchivs in Hannover, der Landesarchive NRW in Detmold und Münster, der Stadt- bzw. Kreisarchive in Bad Salzuflen, Beverungen, Bielefeld, Borgentreich, Borken, Brakel, Höxter, Lemgo, Meppen, Nordhorn, Paderborn, Rahden, Salzkotten und Warburg sowie des Gemeindearchivs in Extertal rekonstruiert. Für Bielefeld steht zudem die Auswertung der Meldedaten zur Verfügung [M. Minninger u.a., Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld, Bielefeld 1985]. Auf diesem Weg konnten die Namen aller 86 Deportierten des Gestapobereichs Bielefeld sowie der 10 Deportierten des Gestapobereichs Osnabrück ermittelt werden.

Im Falle des Gestapobereichs Münster sind in der Liste aus Theresienstadt 3 Menschen nachträglich gestrichen worden (siehe hier), da 217 statt der ursprünglich vorgesehenen 220 Menschen im Getto angekommen sind. Es ist nicht bekannt, inwieweit dies in der Statistik der Reichsvereinigung Berücksichtigung fand und damit die hier ermittelte Zahl für die Deportierten nach Auschwitz zu korrigieren wäre. Es haben sich jedoch eine Reihe von Postkarten deportierter Menschen aus den Tagen der Zuführung zum Sammellager in Bielefeld und des Abtransports von dort erhalten, darunter eine von Sabine Schelhasse aus Münster, aus der hervorgeht, dass über Münster 5 Menschen zum Transport nach Bielefeld gebracht wurden, darunter eine weitere Frau aus Münster (Thea Blumenthal) und "3 von auswärts" [M. Decker, K.-U. von Hollen, in: Ravensberger Blätter, Heft 1, 2010, S. 1-25]. Zu ihnen gehörte Adele Strauß aus Lüdinghausen, die ursprünglich mit dem Transport vom 13.12.41 nach Riga deportiert werden sollte, während der Überführung in das Sammellager nach Münster jedoch einen Beinbruch erlitt und dadurch vom Transport zunächst zurückgestellt wurde [Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe, Bd. 2, Münster 2008, S. 472].


Da aus der Statistik der Reichsvereinigung entnommen werden kann, dass aus den Gestapobereichen Münster 3 und Dortmund 2, also insgeamt 5 Menschen deportiert worden sind, könnte angenommen werden, dass es sich bei diesen um Sabine Schelhasse und die 4 weiteren von ihr erwähnten Personen handelt. Allerdings wurden Rosa Silberschmidt und Selma Stern aus Borken mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls über Münster nach Bielefeld gebracht und gehörten damit neben Adele Strauß aus Lüdinghausen zu den “3 von auswärts”. Die Abweichung zur Angabe der RV könnte darin begründet sein, dass diese Borken (Landkreis Borken) im Regierungsbezirk Münster mit Borken (Landkreis Meppen) im Regierungsbezirk Osnabrück verwechselt hat, womit sich auch die Angabe von 3 (statt 5) Deportierten für Münster und 12 (statt 10) für Osnabrück (siehe oben) erklären ließe. Die Transportliste des Bielefelder Teiltransports nach Auschwitz ist damit bis auf die zwei Deportierten aus dem Gestapobereich Dortmund, sofern sie sich tatsächlich im Transport vom 10.7.42 befanden, vollständig rekonstruiert.

Schaumburg-Lippe

Liste des OFP Münster

©TF 2022, mail(at)statistik-des-holocaust.de

Neben verschiedenen anhand von Meldedaten erstellten Nachkriegslisten sind in einigen Fällen Listen der Gestapo überliefert, so für die Deportierten aus dem Landkreis Warburg [LAV NRW OWL, M2 Warburg Nr. 2672] sowie aus Paderborn [StadtA Paderborn, A/3287]. Auch für Schaumburg-Lippe haben sich Transportlisten erhalten, die nachfolgend abgebildet sind. Die Listen befinden sich im Niedersächsischen Landesarchiv, Bestand NLA Bückeburg L 4 Nr. 2040 und NLA Hannover Hann. 210 Acc. 160/98 Nr. 9 fol. 125 (Liste des OFP).

Orte, aus denen deportiert wurde









Alfhausen

2


Höxter

4


Paderborn

4

Bad Lippspringe

2


Lathen

2


Rahden

1

Bad Oeynhausen

4


Lichtenau

4


Salzkotten

1

Bad Salzuflen

1


Lingen

2


Schötmar

3

Beverungen

2


Lüdinghausen

1


Silixen

1

Bielefeld

33


Lütgeneder

1


Sögel

3

Bösingfeld

3


Münster

2


Stadthagen

3

Borken

2


Natzungen

1


Steinbergen

5

Brakel

1


Neuenhaus

1


Verl

1

Gütersloh

2


Nieheim

1


Warburg

3

Herford

1


Ottbergen

4


unbekannt

2