Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Magdeburg - Dessau - Potsdam - Berlin nach Warschau

Abfahrtsdatum: 14.04.42, Deportierte: 446 (nur Magdeburg - Dessau, Gesamtstärke: 938)

Mit dem Transport vom 14.4.42 wurden zusammen mit 492 Juden aus Berlin und Brandenburg (siehe hier) auch 446 jüdische Menschen aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und dem Land Anhalt in das Warschauer Getto deportiert. So wie die Menschen aus Berlin und Brandenburg zuvor in das Sammellager in der Berliner Levetzowstr. gebracht wurden, wurden die Magdeburger und Dessauer Juden am Tag vor der Deportation in ein Sammellager in Magdeburg überführt. Entsprechend verzeichnete die zuständige Bezirksstelle Sachsen-Thüringen (später Mitteldeutschland) der Reichsvereinigung auf den von ihr erstellten Namenslisten als Tag der "Abwanderung" aus dem "Staatspolizei-Bezirk Magdeburg" den 13.4.42. Lediglich die Liste für die Deportierten aus Aken trägt das Datum des 14.4.42 [Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig, 2/66].


In den Listen sind die Namen von insgesamt 421 Menschen aufgeführt. Dies stimmt mit den Angaben in der Monatsstatistik der Reichsvereinigung für den April 1942 überein, in der 421 Deportierte für den Bereich der Bezirksstelle Sachsen-Thüringen registriert wurden. Hinzu kommen 25 Menschen aus den sechs nördlichen Kreisen des Regierungsbezirks Magdeburg, die zum damaligen Zeitpunkt von der Bezirksstelle Brandenburg-Pommern (später Brandenburg-Ostpreußen) verwaltet wurden. Insgesamt verzeichnete die Reichsvereinigung 328 Deportierte aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und 118 aus dem Land Anhalt. Allerdings gibt es in den Listen der Bezirksstelle Sachsen-Thüringen den nachträglich eingefügten Hinweis, dass Richard und Meta Herz aus Quedlinburg "nicht zur Abwanderung gekommen sind" [Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig, 2/66]. Richard Herz hatte am 13.4. Selbstmord begangen. Seine Frau Meta wurde am gleichen Tag "nach unbekannt in Abgang gebracht", wie es in den amtlichen Unterlagen hieß [E. Brecht, M. Kummer, Juden in Quedlinburg, Halberstadt 1996, S. 37]. Vermutlich hat jedoch auch sie ihr Leben durch Selbstmord beendet [E. Brecht, Jüdische Familien in Quedlinburg von 1933 - 1945, Manuskript, StadtA Quedlinburg].


Abgebildet sind nachfolgend die Namenslisten aus dem Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig, Bestand 2/66, in einer Kopie des USHMM, Bestand RG-14.035, Reel 11. Die Liste wurde durch Yad Vashem auch online veröffentlicht, siehe hier. Am Ende eingefügt ist die Berichtigung für Quedlinburg.

Orte, aus denen deportiert wurde









Aken

5


Egeln

3


Magdeburg

155

Aschersleben

11


Elsdorf

12


Rieder

1

Ballenstedt

3


Gardelegen

4


Salzwedel

13

Barby

4


Halberstadt

102


Schönebeck

2

Bernburg

27


Jessnitz

6


Stendal

7

Burg

1


Jüdendorf

5


Tangermünde

1

Calbe

10


Köthen

23


Wernigerode

3

Dessau

33


Loburg

1


Zerbst

14

In den Unterlagen des OFP in Magdeburg sind gesonderte Namenslisten der Gestapo zu den am 14.4.42 deportierten Juden mit ehemals polnischer Staatsangehörigkeit erhalten geblieben, deren Vermögen durch die Haupttreuhandstelle Ost zu beschlagnahmen und zugunsten des Deutschen Reichs einzuziehen war. Aus diesen können zwei weitere Namen von Juden ermittelt werden, Michel Grabinski aus Loburg und Daniel Kurant aus Rieder im Kreis Ballenstedt [LASA Magdeburg, G 11/804]. Insgesamt sind damit, wie von der Reichsvereinigung in der Monatsmeldung registriert, 421 Juden aus dem zur Bezirksstelle Sachsen-Thüringen gehörenden Teil des Regierungsbezirks Magdeburg sowie dem Land Anhalt abtransportiert worden.


Für die sechs nördlichen Kreise des Regierungsbezirks Magdeburg (Stadtkreis Stendal, Landkreise Gardelegen, Jerichow II, Osterburg, Salzwedel, Stendal) sind keine Gesamtlisten bekannt. Laut einem Schreiben des OFP in Magdeburg vom 23.3.42 waren aus dieser Region ursprünglich 31 Menschen für die Deportation vorgesehen, davon 14 aus Salzwedel, je 7 aus Gardelegen und Stendal, sowie je eine Person aus Grieben, Steckelsdorf und Tangermünde [LASA Magdeburg, G 1/390]. Nach den Angaben der Reichsvereinigung kamen schließlich 25 Menschen zum Abtransport. "In einigen Fällen hat sich die Zahl der abgeschobenen Juden vermindert. Nach Mitteilung der Gestapo haben sich verschiedentlich Juden der Abschiebung entzogen", heißt es in einem Schreiben des OFP vom 23.4.42 [LASA Magdeburg, G 1/390]. Einer, der sich "der Abschiebung entzogen" hatte, war Dr. Salomon Marcus, früher wohnhaft in Neue Schleuse, dann zwangsweise in das Landwerk Steckelsdorf umgezogen. Er wählte nach Bekanntwerden der bevorstehenden Deportation den Freitod und ist am 15.4. in Rathenow verstorben.


Die Namen und Herkunft der 25 deportierten Menschen lässt sich aus erhalten gebliebenen Unterlagen weitestgehend aufklären:

©TF 2022, mail(at)statistik-des-holocaust.de

Adam Czerniaków vom Warschauer Judenrat verzeichnete in seinem Tagebuch am 16.4.42: "Um 6 fuhr der Zug mit den Neuankömmlingen aus Deutschland ein. Es sieht nach 1000 Personen aus." [A. Czerniaków, Im Warschauer Getto, München 1986, S. 243]. Die Ankunft des Magdeburger Transports im Aufnahmelager wurde für einen geplanten NS-Propagandafilm nachgestellt. Auf einem am Ende der knapp zweiminütigen Sequenz gezeigten Koffer steht der Name von Margarete Katz, die in der Transportliste (siehe oben) unter der Nr. 295 registriert ist. Die Aufnahmen befinden sich im Bundesarchiv-Filmarchiv und wurden durch Yad Vashem online veröffentlicht.

In Salzwedel waren vom Wirtschaftsamt der Stadt zum Jahreswechsel 1941/42 noch 15 jüdische Einwohner in einer Liste der Empfänger von Lebensmittelkarten registriert, siehe die Kopie aus dem Stadtarchiv Salzwedel, Bestand Magistrat der Stadt Salzwedel, Nr. 9636. Am Ende der Liste befindet sich der später hinzugefügte Vermerk „Sämtliche Juden sind von Salzwedel verzogen“. Frieda Frenkel war nach Magdeburg umgezogen und wurde von dort deportiert, sie ist in der Magdeburger Namensliste (siehe oben) unter der Nr. 265 registriert. Der sich ebenfalls in Salzwedel befindliche „Flüchtling“ Arthur Schaefer wurde mit dem Berliner Osttransport vom 13.1.42 nach Riga deportiert und ist in der zugehörigen Transportliste unter der Nr. 743 verzeichnet (siehe hier). Die übrigen 13 jüdischen Bewohner Salzwedels sind nach Warschau deportiert worden [vgl. hierzu auch E. Block, Wir waren eine glückliche Familie..., Salzwedel 1998, S. 105, 113]. Danach verblieben in der Stadt noch jüdische Zwangsarbeiterinnen aus Wien, die in der Gärtnerei Schröter eingesetzt waren. Bis zum Spätsommer 1942 waren auch sie über Wien größtenteils in die Lager des Ostens abtransportiert. Ihre Namensliste befindet sich ebenfalls im Stadtarchiv Salzwedel unter oben angegebener Signatur.

Von den ursprünglich zur Deportation vorgesehenen 7 jüdischen Einwohnern Gardelegens wurden Lea Klein und Lotte Behrens zu späteren Zeitpunkten über Berlin nach Riga bzw. Auschwitz gebracht. Karoline Rieß hatte am Tag vor dem Abtransport Selbstmord begangen. Abgeholt für den Transport zum Sammellager in Magdeburg wurden schließlich Hermann und Luise Behrens sowie David und Grete Holz. Möglicherweise ist jedoch David Holz noch auf dem Bahnhof von Gardelegen erschossen worden oder hatte auf dem Transport Selbstmord begangen [G. Bunge, Jüdische Bürger in Gardelegen, Gardelegen o. Jahr; G. Bunge, Schicksale jüdischer Familien aus Gardelegen, Gardelegen 1995, S. 57].


Aus Stendal wurden, wie von der Gestapo vorgesehen, 7 Menschen nach Warschau deportiert. Bei Julius und Ilse Charig, Auguste Cohn und Alfred Simonsohn befindet sich jeweils ein Vermerk auf der Meldekarte, dass sie am 13.4.42 „n. unbekannt“ abgemeldet wurden [Hinweis von Ina Nitzsche, StadtA Stendal]. In den bereits oben erwähnten Namenslisten des OFP in Magdeburg zu den am 14.4.42 deportierten Juden mit ehemals polnischer Staatsangehörigkeit sind zudem drei weitere jüdische Bewohner Stendals aufgeführt. Hierbei handelt es sich um Feiga Adler und ihre Tochter Mathilde Denemark mit dem Sohn Wolfgang [LASA Magdeburg, G 11/804]. Ihre Meldekarten sind nicht erhalten. Der Ehemann von Mathilde, Jankel Denemark, befand sich zu dem Zeitpunkt im Konzentrationslager Ravensbrück und ist von dort im Oktober 1942 nach Auschwitz überführt worden, wo er am 3.1.43 umgekommen ist.


Das Schicksal von Lilly Bernhard aus Tangermünde ist nicht vollständig geklärt [Erloschen? Vom Werden und Sterben der jüdischen Gemeinde in Tangermünde, Tangermünde 2007, S. 54]. Allerdings geht ihre Familie davon aus, dass sie 1942 in das Warschauer Getto deportiert wurde (siehe hier). Da die Gestapo auch eine Person aus Tangermünde in die ursprünglichen Transportplanungen einbezogen hatte, ist zu vermuten, dass es sich hierbei um Lilly Bernhard handelte. In ihrer Meldekarte ist kein Eintrag einer Abmeldung vorhanden [Hinweis von Elisa Jubert, StadtA Tangermünde]. Lilly Bernhard war die Witwe des am 27.1.42 verstorbenen Paul Isidor Bernhard, dem früheren Besitzer des Kaufhauses J. Bernhard in Tangermünde.