Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Luxemburg - Trier - Karlsruhe - Stuttgart nach Izbica

Abfahrtsdatum: 26.04.42, Deportierte: 364 (nur Karlsruhe - Stuttgart, Gesamtstärke: 441)

Den Abtransport der Badener Juden schildert ein Bericht der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung vom 27.4.42: "Am Freitag, den 24. April wurde in Karlsruhe ein Abwanderungstransport zusammengestellt, der 75 Personen aus Baden umfasste. Es war uns die Möglichkeit gegeben worden, den Transportteilnehmern ein Mittagsessen, einen Nachmittagskaffee und ein Abendessen zu verabfolgen, wir haben auch beim Transport des Gepäcks mithelfen können. Der Transport ist in drei Personenwagen mit einem Personenzug am Abend nach Stuttgart befördert worden. Von dort wurde ein Teilnehmer, der 100% kriegsdienstbeschädigt ist (offene Lungentuberkulose), zurückgeschickt. Wir fügen fünf Abdrucke der von uns gefertigten Abwanderungsliste mit dem Bemerken bei, dass die Teilnehmer Nr. 16, 67, 76 und 78 nachträglich gestrichen worden sind. Die Aufstellung der Abwandererliste erfolgte durch die Behörde, wir hatten sodann die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Die Liste umfasste ursprünglich 131 Teilnehmer, soweit Streichungen erfolgt sind, war dies in erster Linie darauf zurückzuführen, dass durch amtsärztliche Zeugnisse Transportunfähigkeit festgestellt worden ist. Ferner sind diejenigen Personen gestrichen worden, die in diesem Kriege Söhne an der Front stehen hatten." [HStA Stuttgart, EA99/001, Bü275]


Eine Reproduktion der in dem Bericht genannten "Abwanderungsliste" mit den Namen von 78 zur Deportation bestimmten Menschen ist nachfolgend abgebildet. Hierauf sind die vier zurückgestellten Personen gestrichen. Damit ergeben sich 74 Deportierte aus Baden, was mit der Statistik der Reichsvereinigung übereinstimmt. Die Liste wurde durch das Leo Baeck Institute online zugänglich gemacht (siehe hier). Eine gleichlautende Liste befindet sich im Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Bestand B-1/19, Nr. 333. Kopien sind im Hauptstaatsarchiv Stuttgart vorhanden, hier in den Beständen EA99/001, Bü267 und Bü268.

Dem Transport aus Stuttgart wurden auch 24 Juden aus Luxemburg und 53 aus Trier angeschlossen. Die Luxemburger wurden hierzu am 23.4. zunächst nach Trier gebracht, um von dort zusammen mit den Trierer Juden am Morgen des 24.4. weiter nach Stuttgart zu fahren, wo sie sich noch zwei Tage im Sammellager aufgehalten haben [Archives nationales de Luxembourg, FMD-002]. Am 9.5. teilte die jüdische Kultusgemeinde Trier der Kultusgemeinde Luxemburg mit, dass zwei Postkarten aus Izbica angekommen sind. Auf weitere Luxemburger Nachfrage teilte der Judenrat in Izbica mit, dass der Stuttgarter Transport am 29.4. in Izbica eingetroffen ist, die Luxemburger Gruppe jedoch bereits Mitte Mai von dort weggebracht wurde [Archives nationales de Luxembourg, FMD-002]. Von den Badener Juden trafen vereinzelt noch Postkarten ein, die Mitte Juli 1942 aus Izbica abgeschickt wurden [HStA Stuttgart, EA99/001, Bü258], von Erich Levi aus Pfalzgrafenweiler (zuletzt in Stuttgart) sogar noch eine Postkarte von Ende August 1942 [P. Sauer, Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime 1933-1945, Bd. 2, Stuttgart 1966, S. 329]. Danach wurden auch sie von den Verschleppungen in die Vernichtungslager erfasst.

Für die Pfalz existiert eine "Zusammenstellung der am 26.4.1942 in das Generalgouvernement zu evakuierenden Juden" der Gestapo Saarbrücken, die 18 Namen enthält. Im Begleitschreiben vom 29.4.42, mit der diese Liste an den "Herrn Reichsstatthalter in der Westmark und Chef der Zivilverwaltung in Lothringen" gesandt wurde, heißt es: "Der unter Ziffer 1 aufgeführte Jude Heinrich Bär mußte infolge Krankheit (Epileptiker) in Stuttgart von der Evakuierung ausgeschlossen und in das dortige Bürgerhospital verbracht werden." [LA Speyer, T104/673] Demnach sind 17 Menschen mit diesem Transport aus der Pfalz über Stuttgart nach Izbica deportiert worden. Eine der Betroffenen, Johanna Süßkind, stammte dabei aus dem Saarland (Siersburg), alle anderen aus der Pfalz.


Die Statistik der Reichsvereinigung verzeichnete im Mai 1942, offensichtlich in einer Nachmeldung, ebenfalls 17 Deportierte aus der Pfalz. Die Bezirksstelle Baden-Pfalz hatte "eine namentliche Liste der am 26. April 1942 aus der Pfalz abgewanderten 17 Personen mit Angabe der Geburts- und bisherigen Wohnorte" am 22.5. an die Berliner Zentrale, Abteilung Statistik, übermittelt [HStA Stuttgart, EA99/001, Bü258]. Bei dieser Liste handelte es sich um die oben genannte Zusammenstellung der Gestapo [HStA Stuttgart, EA99/001, Bü258]. Nachfolgend zu finden ist eine Reproduktion dieser Gestapoliste, die sich im Landesarchiv Speyer, Bestand T104/672, befindet.

Orte, aus denen deportiert wurde (Baden)









Albbruck

1


Heidelberg

4


Mannheim

30

Baden-Baden

2


Heidelsheim

2


Offenburg

1

Bruchsal

3


Herten

1


Pforzheim

1

Durlach

1


Karlsruhe

9


Schmieheim

1

Freiburg

3


Kirchen

1


Weinheim

4

Friesenheim

1


Konstanz

7




Grünsfeld

1


Lörrach

1




Orte, aus denen deportiert wurde (Pfalz)









Bad Dürkheim

1


Kirchheim

1


Pirmasens

1

Edenkoben

1


Landau

2


Relsberg

2

Frankenthal

1


Ludwigshafen

2


Schifferstadt

1

Kaiserslautern

3


Neustadt

1


Siersburg

1

Der Deportationszug vom 26.4.42 nach Izbica setzte sich aus mehreren Teiltransporten zusammen. Hierzu gehörten laut der April-Statistik der Reichsvereinigung 247 Juden aus Württemberg und 26 aus Hohenzollern, insgesamt 273 Menschen, was mit der späteren Angabe des Stuttgarter Vertrauensmanns der Reichsvereinigung Alfred Marx anhand seiner Abschriften aus Unterlagen der Gestapo Stuttgart übereinstimmt. Dazu kamen 74 Deportierte aus Baden und 17 aus der Pfalz.


Die Staatspolizeileitstelle Stuttgart hatte die Landräte und Polizeidienststellen in Württemberg und Hohenzollern mit Schreiben vom 25.3.42 über die bevorstehende "Abschiebung von Juden nach dem Generalgouvernement" unterrichtet und zugleich eine Liste der "für die Evakuierung in Betracht kommenden Juden" als Anlage beigefügt. Im abgebildeten Dokument für den Gendarmeriekreis Ulm sind 4 Bewohner des "Jüdischen Wohnheims" in Dellmensingen und 7 Bewohner des "Jüdischen Altersheims" Herrlingen verzeichnet [USHMM, RG-14.053, Reel 2]. Für Hohenzollern ist eine "Transport-Liste der aus dem Kreise Hechingen am 24.April 1942 evakuierten Juden" bekannt. An diesem Tag wurden die Menschen in das Sammellager nach Stuttgart überstellt. Von den 27 aufgeführten Personen wurde Richard Vogel als nicht transportfähig zurückgestellt, während seine Ehefrau Alice abtransportiert wurde. Die Liste befindet sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand EA99/001, Bü235.

©TF 2022, mail(at)statistik-des-holocaust.de

Orte, aus denen deportiert wurde (Württemberg und Hohenzollern)









Bad Mergentheim

4


Haigerloch

24


Rexingen

6

Baisingen

16


Hechingen

2


Schömberg

1

Berlichingen

1


Heilbronn

16


Schwäbisch Gmünd

2

Bonfeld

1


Herrlingen

7


Schwäbisch Hall

2

Buchau

10


Hohebach

3


Stuttgart

94

Buttenhausen

11


Künzelsau

4


Talheim

7

Crailsheim

5


Laupheim

3


Ulm

7

Dellmensingen

3


Maselheim

1


Untersulmetingen

1

Dörzbach

2


Mühringen

1


Weißenstein

9

Eschenau

1


Niederstetten

2


Zaberfeld

1

Göppingen

7


Oberdorf a. Ipf

19




Eine Gesamtliste des Stuttgarter Teiltransports vom 26.4.42 ist nicht überliefert. Auf der Basis der bereits für die Rekonstruktion des Transports vom 1.12.41 genannten Quellen (siehe hier) ist eine Rekonstruktion möglich. Ebenso wie für den Transport vom 1.12. kann jedoch auch für den vom 26.4. in Einzelfällen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Menschen zu einem anderen Zeitpunkt als angegeben nach "Osten" deportiert worden sind. Im Fall von Stuttgart wurde hinsichtlich der letzten Adresse die Angabe aus der "Judenliste (Stand Ende Dezember 1941)" des Statistischen Amts zugrundegelegt. Die Liste aus dem Stadtarchiv Stuttgart gibt Aufschluss über die zu dem Zeitpunkt in Stuttgart polizeilich gemeldeten über 19 Jahre alten Juden. Für alle anderen Orte wird (soweit bekannt) die letzte Adresse zum Zeitpunkt der Deportation angegeben.