Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

XVI. Transport

Abfahrtsdatum: 23.06.42, Deportierte: 202, Deportationsziel: Minsk (?)

Das Abfahrtsdatum des 16. Osttransports wird in der Literatur häufig fälschlicherweise mit 26.6.42 angegeben. Der 26.6.42 ist aber lediglich das Datum des Schreibens, mit dem die Transportliste von der Berliner Gestapo an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg geschickt wurde. Dieses geschah üblicherweise einige Tage nach Abgang eines Transports. In den OFP-Akten zu einzelnen Transportteilnehmern wird eindeutig der 23.6.42 als Abgangsdatum dieses Transports genannt [Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A/1347]. Ein weiterer Hinweis findet sich in einem von der Preußischen Bau- und Finanzdirektion in Berlin erstellten "Verzeichnis der jüdischen Versorgungsempfänger" mit handschriftlichen Vermerken zu ihrer Deportation, in dem bei Denny Scheibner (Nr. 36 der Transportliste) vermerkt wurde, dass er "am 23.6.42 nach dem Osten abgewandert" ist [Landesarchiv Berlin, A Pr. Br. Rep. 042/3619]. Bestätigt wird dieses Datum auch durch den Briefwechsel von Johanna Karminski mit Dr. Hans Schäffer [Leo Baeck Institute Yearbook, 1957 (2), 309].


Von den 202 Deportierten waren 198 Berliner, darunter mehrere leitende Mitarbeiter der Reichsvereinigung der Juden, unter ihnen Arthur Lilienthal, Vorstandsmitglied der Reichsvereinigung und Stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Kultusvereinigung Berlin, Cora Berliner, Leiterin der Liquidationsstelle der Wanderungsabteilung und Paula Fürst, Leiterin der Schulabteilung. Der XVI. Transport wird auch als "Straftransport" der Reichsvereinigung bezeichnet [H. Henschel, Zeitschrift für die Geschichte der Juden 1972 (9), 33]. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass im April und Mai 1942 bereits Abbaulisten von zusammen fast 300 Mitarbeitern der Reichsvereinigung bei der Gestapo engereicht werden mussten. Zum 25.6. wurde die Reorganisation der Reichsvereinigung mit Verkleinerung bzw. Zusammenlegung von Verwaltungstrukturen und zum 30.6. die Einstellung des jüdischen Schulbetriebs angeordnet. Die Deportation der Abteilungsleiter von Wanderungs- und Schulabteilung könnte daher auch mit diesen Maßnahmen im Zusammenhang stehen. Insgesamt sind in der Transportliste 50 Personen aufgeführt, die als Angestellte (28), Kaufmann (6), Sachbearbeiter (5, einschl. Cora Berliner und Paula Fürst), Registrator (3), Konsulent (2) sowie als Buchhalterin, Stenotypistin, Sekretärin, Bürohilfe, Bote (jeweils 1) und "Vorst.Mitgl. d. J.K." (Arthur Lilienthal) tätig waren. Diese Bezeichnungen deuten auf Verwaltungsangestellte der Reichsvereinigung hin. In der Tat sind viele von ihnen bereits auf Gehaltslisten der Zentrale der Reichsvereinigung von Ende 1940 zu finden [Bundesarchiv, R 8150/64]. 4 Namen sind in der Liste gestrichen worden, so dass 46 aus dem genannten Personenkreis zusammen mit ihren Familien deportiert wurden.


Das Ziel des 16. Osttransports konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Einiges spricht dafür, dass der Berliner Transport an den Deportationszug vom 24.6.42 aus Ostpreußen angeschlossen wurde, der am 26.6.42 mit insgesamt 770 Juden den Güterbahnhof Minsk erreichte [A. Gottwaldt, in: NS-Gewaltherrschaft, Berlin 2005, 152]. Da aus Ostpreußen nach Angaben der Reichsvereinigung 628 Juden im Juni 1942 deportiert wurden, hätten zusammen mit den 202 Deportierten des Berliner Osttransports insgesamt 830 Juden in Minsk registriert werden müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass 60 Deportierte vor Erreichen von Minsk den Zug verlassen mussten. So gibt es einen, allerdings vagen, Hinweis auf einen Brief, den Cora Berliner kurze Zeit nach ihrer Deportation aus einem Ort in der Umgebung von Bialystok geschrieben haben soll [H. Simon, Gross Breesen Letter 15, September 1945, 593]. Der Transportzug hatte in Bialystok einen fahrplanmäßigen Halt von 61 Minuten, der längste Halt zwischen dem Abfahrtsort Königsberg und der Zwischenstation Wolkowysk, an der die Deportierten vor der Weiterfahrt nach Minsk von Personenwagen in gedeckte Güterwagen umsteigen mussten [R. Hilberg, Sonderzüge nach Auschwitz, Mainz 1981, 165].


Für Berlin verzeichnete die Statistik der Reichsvereinigung im Juni 1942 insgesamt 1690 Deportierte. Aus den Transportlisten der beiden Osttransporte vom 2.6. und 23.6., des Sondertransports vom 5.6. sowie der 12 Alterstransporte zwischen dem 2.6. und 30.6. lassen sich 1694 Deportierte ermitteln.

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