Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Der 22. Osttransport, RV-intern auch als "Personal Transport" bezeichnet, stand im Zeichen der am 20.10.42 durchgeführten "Gemeindeaktion", mit der die Gestapo die Zahl der Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde Berlins, die zu diesem Zeitpunkt in ihren 26 Abteilungen neben den beiden Vorstandsmitgliedern Moritz Henschel und Philipp Kozower 1580 Angestellte beschäftigte, schlagartig um ein Drittel dezimieren wollte. In einem Bericht des Vorstands vom 22.10. heißt es, dass "im Zusammenhang mit dem Kontrollbesuch bei der Jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin e.V. am 20.Oktober 1942 ... 533 Mitarbeiter mit 328 bisher erfassten Angehörigen zum Abbau bezw. zur Abwanderung gelangen, demnach insgesamt 861 Personen" [Bundesarchiv, R 8150/50]. Am 28.10. berichtete der Vorstand, dass mit dem 22. Osttransport insgesamt 801 Personen "abgewandert" sind, davon 345 Mitarbeiter der JKV zusammen mit 164 Angehörigen. In einer Notiz wird weiter aufgeschlüsselt, dass von den 533 zur Entlassung bestimmten Mitarbeitern neben den 345 nach Osten Deportierten weitere 111 "für die Abwanderung nach Theresienstadt vorgesehen" sind, 14 zurückgestellt wurden, 18 verstorben sind, 7 sich im Krankenhaus befinden (davon 3 nach Selbstmordversuch), 15 nicht zur Sammelunterkunft Levetzowstr. gekommen sind, aber der Aufenthalt bekannt ist, und 3 keine Transportnummer erhalten haben. Weitere 20 blieben "nach den angestellten Ermittlungen nicht auffindbar" [Bundesarchiv, R 8150/50].


Zur Auffindung der 20 Mitarbeiter der JKV, die am 24.10., dem Tag der Verbringung in die Sammelunterkunft Levetzowstraße, durch die abholenden Gestapobeamten nicht angetroffen wurden, stellte die JKV umfangreiche Ermittlungen an, da die Gestapo mit der Erschießung von Geiseln drohte. Mit dem Stand vom 2.11. konnte erst eine Person, die Küchenhilfe Chana Steinberg, ermittelt und in die Sammelunterkunft eingewiesen werden. Am 10.11. verhaftete die Gestapo daraufhin mehrere, zum größten Teil leitende Angestellte der Berliner Gemeinde und der Reichsvereinigung, von denen nach den Erinnerungen von Zeitzeugen der JKV und Reichsvereinigung (Hans-Erich Fabian, Martha Mosse, Hildegard Henschel) 8 kurz darauf im Konzentrationslager Sachsenhausen erschossen wurden, darunter die 4 Mitarbeiter der JKV Julius Blumenthal, Leiter der Rechtsabteilung, Siegbert Goldstein, Leiter der Schlichtungs- und Beratungsstelle, Fritz Lamm, Referent der Abteilung Fürsorge, und Bruno Mendelsohn, Leiter der Hauptverwaltung, sowie die 4 Mitarbeiter der Reichsvereinigung Alfred Selbiger, Leiter der Personalverwaltung, Arnold Looser, Sachbearbeiter der Steuern- und Abwicklungsstelle, Alfred(?) Joseph und Fritz(?) Wolff.


Weitere 11 Verhaftete, unter ihnen die Mitarbeiter der JKV Bernhard Adler, Hauptrevisor der Revisionsabteilung, Marta Henschke, Referentin für Alters- und Sonderheime, und Bruno Mannheim, Vorsteher der Katasterverwaltung, sowie die Abteilungsleiterin Fürsorge der RV Johanna Karminski und die leitenden Sachbearbeiter der RV Robert Bielschowsky, Buchhaltung und Kasse, Kurt Rosenberg, Liquides Vermögen und Abrechnungen, und Walter Sprinz, Zweig- und Bezirksstellen, wurden zusammen mit den Angehörigen aller Verhafteten im 24. Osttransport am 9.12.42 nach Auschwitz deportiert.


Die Transportliste enthält 808 Namen, 8 von ihnen wurden gestrichen. Insgesamt verzeichnete die Reichsvereinigung in ihrer Statistik für den Oktober 1942, unter Berücksichtigung von zwei Korrekturen, 2973 Deportierte aus Berlin. Dies stimmt mit der Zahl der Deportierten mit letztem Wohnsitz oder Aufenthalt in Berlin überein, die aus den Listen der beiden Osttransporte vom 19.10. und 26.10. und der 4 Alterstransporte zwischen dem 3.10. und 30.10. ermittelt werden kann.

22. Osttransport

Abfahrtsdatum: 26.10.42, Deportierte: 800, Deportationsziel: Riga

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