Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Berlin - Ostpreußen nach Minsk

Abfahrtsdatum (Königsberg): 24.06.42, Deportierte: 628 (nur Ostpreußen, Gesamtstärke: ?)

Die Vorbereitung des ersten Abtransports von Juden aus Ostpreußen ist aus Reichsbahndokumenten bekannt [siehe auch R. Hilberg, Sonderzüge nach Auschwitz, Mainz 1981]. So ergibt sich aus einem Telegrammbrief der Reichsbahndirektion Königsberg vom 5.6.42, dass der Transport mit der Bezeichnung Da 40 von Königsberg nach Minsk ursprünglich mit Abfahrt am 30.6. für den ausfallenden Zug Da 209 aus Wien geplant war. Aus der Fahrplanordnung Nr. 46 "für einen Sonderzug zur Beförderung von Aussiedlern" vom 15.6.42 geht dann jedoch hervor, dass die Abfahrt des Zuges Da 40 als Ersatz für Da 208 auf den 24.6., 22.34 Uhr ab Königsberg Nord Güterbahnhof, vorverlegt wurde. Die für die Deportation von Wiener Juden nach Minsk vorgesehenen "Da-Sonderzüge" mit den Nr. 207-218 waren wegen Bauarbeiten ausgefallen, so dass nur noch der Zug aus Königsberg abgefertigt wurde (siehe auch Fernschreiben vom 16.6.42). Laut Fahrplananordnung Nr. 48 vom 22.6.42 sollte Da 40 Minsk Güterbahnhof am 26.6. um 11.50 Uhr erreichen. Die folgenden Kopien der genannten Reichsbahndokumente stammen aus Material des Prozesses gegen Georg Heuser [Yad Vashem Archives, O.53/Ludwigsburg, USSR Collection] und wurden durch Yad Vashem im Rahmen des Projekts "Zugfahrten in den Untergang" online zugänglich gemacht (siehe hier).

5.6.42

15.6.42

16.6.42

22.6.42

Ankunftsmeldung

Am Schluss der Fahrplananordnung vom 22.6. heißt es: "Bf Minsk Gbf meldet sofort nach Ankunft fernmündlich ... Anzahl der beförderten Personen, davon Kinder unter 10 Jahren und Begleitpersonen." Diese Angaben sind aus einem weiteren Dokument der Reichbahn bekannt, in dem sich handschriftlich eingetragene Details zu acht zwischen dem 23.5. und 10.8.42 in Minsk und weiteren Orten eingetroffenen Deportationszügen befinden, siehe die obige Reproduktion [Yad Vashem Archives, O.53/Ludwigsburg, USSR Collection]. Nach diesem Dokument sind am 26.6.42 in Minsk 770 deportierte Menschen angekommen. Die Monatsstatistik der Reichsvereinigung verzeichnete im Juni 1942 dagegen 628 Deportierte aus Ostpreußen (mit Berücksichtigung von Korrekturen im Folgemonat), davon 479 aus den Regierungsbezirken Königsberg und Allenstein und 149 aus dem Regierungsbezirk Tilsit (mit Memelland).


Vieles spricht dafür, dass dem Transport mit 628 Menschen aus Ostpreußen der 16. Berliner Osttransport mit 202 Deportierten angeschlossen wurde (siehe hier). Allerdings kann die Differenz zwischen der dann anzunehmenden Gesamtzahl von 830 Deportierten und der laut Reichsbahndokument bei der Ankunft verzeichneten Zahl von 770 Menschen bisher nicht geklärt werden.


Eine namentliche Liste ist nicht bekannt. Im Folgenden wird daher der Versuch einer Rekonstruktion unternommen, ausgehend von den Angaben zu den jüdischen Einwohnern in Ostpreußen zum Zeitpunkt der Volkszählung vom 17.5.39, die im Rahmen des Projekts "Mapping the Lives" veröffentlicht wurden (siehe hier), unter Berücksichtigung der nachfolgend bekannten Sterbefälle, Wegzüge, Emigrationen und Deportationen. Da für die aus dem Regierungsbezirk Königsberg deportierten Juden eine eindeutige Zuordnung zum Transport vom 24.6.42 nach Minsk bzw. 1.9.42 nach Riga (siehe hier) in vielen Fällen nicht möglich ist, umfasst die nachfolgende Liste die Namen der Menschen, die sich in einem der beiden Transporte befunden haben dürften. Insgesamt können auf dieser Basis 773 der nach den Angaben der Reichsvereinigung 791 jüdischen Einwohner Ostpreußens ermittelt werden, die  im Sommer 1942 nach "Osten" deportiert worden sind.


Die Zusammenstellung ist mit Unsicherheiten behaftet und kann nur in weniger als der Hälfte der Fälle durch Nachkriegsangaben, z.B. aus Suchanfragen beim ITS, überprüft werden. Für die im Mai 1939 im Regierungsbezirk Gumbinnen (Gestapobereich Tilsit), insbesondere die im östlichen Landkreis Ebenrode mit den in Grenznähe zu Litauen befindlichen Städten Ebenrode und Eydtkau wohnhaften jüdischen Einwohner ist zudem oft nicht bekannt, ob eine Emigration bzw. Flucht über die litauische Grenze erfolgte. Betroffene sind später von den Verfolgungsmaßnahmen in Kowno und anderen Orten erfasst worden.

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Reg.Bez. Königsberg (24.6.42, 1.9.42) und Allenstein (24.6.42)

Reg.Bez. Gumbinnen (24.6.42)