Der erste Transport mit schlesischen Juden verließ am 25.11.41 den Bahnhof Breslau-Odertor,
nachdem die Menschen zuvor im Sammellager am Schießwerderplatz konzentriert wurden.
Wie bereits die Züge aus Berlin (17.11.), München (20.11.), Frankfurt/Main (22.11.)
und Wien (23.11.) wurde auch der Transport aus Breslau nicht wie ursprünglich vorgesehen
nach Riga, sondern ins litauische Kowno geleitet. Unmittelbar nach ihrer Ankunft
wurden die Breslauer Juden am 29.11.41 vom Einsatzkommando 3 der Einsatzgruppe A
im Fort IX außerhalb von Kowno erschossen. Entsprechend der "Gesamtaufstellung der
im Bereich des EK.3 bis zum 1.Dez.1941 durchgeführten Exekutionen" des SS-Standartenführers
Jäger wurden an diesem Tag 2000 "Umsiedler aus Wien u. Breslau" ermordet, davon 693
Männer, 1155 Frauen und 152 Kinder.
Nachstehend abgebildet ist eine Kopie der Meldung der Einsatzgruppe A, mit der die
Umleitung der ersten fünf für Riga vorgesehenen Transporte nach Kowno angekündigt
wurde [Yad Vashem Archives, O.18/158]. Das Dokument wurde durch Yad Vashem im Rahmen
des Projekts "Zugfahrten in den Untergang" publiziert, siehe hier. Im gleichen Projekt
veröffentlicht wurde der Jäger-Report aus den Materialien des Prozesses gegen Georg
Heuser [Yad Vashem Archives, O.53/Ludwigsburg, USSR Collection], siehe hier. Abgebildet
ist darüberhinaus die Anlage zu den "Meldungen aus den besetzten Ostgebieten", Nr.
10 vom 3.7.42, in der eine Gesamtbilanz der Deportierungen nach Riga (und Kowno)
gegeben wird. Nach diesen Angaben wurden in 25 Transporten insgesamt 25103 Menschen
"evakuiert". Weiter heißt es: "Die Betreffenden werden derzeit von den gegen Juden
im Ostland vorgesehenen allgemeinen Maßnahmen miterfaßt." Das Dokument stammt aus
dem Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (ehemals Osobyj Archiv), Fond 500 Opis
1 Delo 775, hier in einer Kopie des USHMM, Bestand RG-11001, Reel 11.
In der Monatsstatistik der Reichsvereinigung für den November 1941 wurden genau 1000
Deportierte aus dem Bereich der Kultusvereinigung Breslau registriert. Hiermit übereinstimmend
ist die Angabe von 2000 Ermordeten im Jäger-Report, da laut Tagesbericht der Gestapoleitstelle
Wien auch 1000 Wiener Juden deportiert wurden [YVA, M.38/121]. Die in der Literatur
häufig zu findende Angabe von 1005 Deportierten aus Breslau ist demnach nicht korrekt.
Diese Zahl wurde ausgehend vom Jäger-Report unter Berücksichtigung einer abweichenden
Angabe für Wien (995 Deportierte) errechnet [A. Kruglow, Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami
Hitlerowskimi 1990, XIII, 265-273].
Eine unvollständige Transportliste ist aus den Akten des Finanzamts Breslau-Süd bekannt,
die sich im Staatsarchiv von Wrocław befanden. In dieser sind 383 Namen von Deportierten
aufgeführt, wobei neben Einzelpersonen lediglich die Familienvorstände verzeichnet
sind. Alle aufgeführten Personen hatten eine Adresse in Breslau. Die von der Jüdischen
Kultusgemeinde Breslau betreuten "Wohngemeinschaften" mit den nach Grüssau, Riebnig
und Tormersdorf zwangsausgesiedelten Menschen waren von der Herbstdeportation noch
nicht betroffen. Eine Abschrift der Liste wurde durch Karol Jonca publiziert [K.
Jonca, Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami Hitlerowskimi 1999, XXII, 229-284]. Die
Originalakten sind durch das Hochwasser aus dem Jahr 1997 verlorengegangen. Die hier
abgebildete Kopie der Liste konnte jedoch in Karol Joncas Nachlass gefunden werden,
der in der Ossolinski-Nationalbibliothek in Wrocław aufbewahrt wird [ZNiO, Akc. 78/09].
Die im Staatsarchiv von Wrocław befindlichen Unterlagen des Oberfinanzpräsidenten
Niederschlesien, darunter die in großer Zahl überlieferten Einzelakten zum Vermögenseinzug
von deportierten Juden, erlauben unter Berücksichtigung der Liste des Finanzamts
Breslau-Süd die weitgehende Rekonstruktion der Transportliste. Durch Alfred Konieczny
wurde nach Auswertung der Dokumente eine Liste mit 935 Namen publiziert [A. Konieczny,
Acta Universitatis Wratislaviensis 2009, 3180, PRAWO CCCX, 197-252]. Mit Hilfe dieser
und weiterer Quellen konnten die Namen von 982 der 1000 deportierten Menschen im
Breslauer Transport vom 25.11.41 ermittelt werden.