Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Leipzig - Chemnitz - Dresden - Sudetenland nach Auschwitz

Abfahrtsdatum: 13.07.42, Deportierte: 208 (nur Sachsen, Gesamtstärke: ?)

Mitteldeutschland war als einzige Bezirksstelle der Reichsvereinigung von beiden Deportationen nach Auschwitz im Juli 1942 betroffen. Nachdem am 11.7. aus Magdeburg und Dessau 100 Menschen abtransportiert wurden, folgten am 13.7. mehr als 200 Menschen aus Leipzig, Chemnitz und Dresden. Dem Sammeltransport wurden in Chemnitz auch 24 Juden aus Luxemburg sowie 106 aus Teiltransporten von Stuttgart und München angeschlossen. Wie aus dem Schriftverkehr des Ältestenrats der Juden in Luxemburg hervorgeht, war die Berliner Zentrale der Reichsvereinigung über die Zusammenstellung des Transports vorab nicht informiert. Die Bezirksstelle in Leipzig sowie Verwaltungsstelle in Chemnitz dagegen waren unterrichtet: "Für die Teilnehmerzahl kommen Städte wie Stuttgart, Chemnitz und versch. Städte Mitteldeutschlands in Frage. Der Transport dürfte sich in der Hauptsache aus arbeitsfähigen Leuten zusammensetzen." [Archives nationales de Luxembourg, FMD-002]


Laut Planung sollte der Deportationszug am 13.7. um 24 Uhr von Chemnitz abfahren. Durch Kurt Benjamin, Vertrauensmann der Verwaltungsstelle Chemnitz, wird der Luxemburger Ältestenrat am 14.7. über den Abgang unterrichtet: "Ziel ist in Chemnitz nicht bekannt. Der Transport umfasste 300 Personen. Es wäre kein Arbeitstransport gewesen, in der Hauptsache alte und kränkliche Leute, zum Teil bis 90 Jahre. Die Leute aus Luxemburg wären die Besten gewesen, was Alter und Gesundheitsbefund anbelangt." [Archives nationales de Luxembourg, FMD-002] Dies bestätigt die Feststellung zu den Stuttgarter und Münchener Teiltransporten, mit denen viele Kranke und Gebrechliche abtransportiert worden waren. Hierzu gehörten die jüdischen Insassen "deutscher Heil- und Pflegeanstalten", wie aus Unterlagen der Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung bekannt ist (siehe hier).


Die Transportliste aus Leipzig enthält die Namen von 171 Personen, einschließlich einem handschriftlichen Eintrag. Erna Eva Ober und Cäcilie Rosenblum kamen aus der "arischen" Heil- und Pflegeanstalt Dösen, Boruch und Susi Cires sowie Dora Gewürtzmann aus dem auf dem Gelände der Heilanstalt befindlichen Israelitischen Krankenhaus. Wie die Jüdische Kultusvereinigung dem Ernährungsamt Leipzig mitteilte, sind "alle Genannten am Freitag, den 10.7.1942 aus der Verpflegung der Heil- und Pflegeanstalt Dösen ausgeschieden." Sie wurden, wie auch die übrigen für die Deportation vorgesehenen Menschen aus Leipzig, vom 11.-13.7. in der Schule in der Yorckstr. untergebracht [StadtA Leipzig, ErnA Nr. 6].


Zu den Deportierten gehörten 21 Kinder aus dem Jüdischen Kinderheim in der Jacobstr. 7. Der 14jährige Josef Bergmann ist in der Liste handschriftlich gestrichen worden, wobei allerdings unklar ist, ob er von der Deportation zurückgestellt wurde. So verzeichnete auch die Statistik der Reichsvereinigung im Juli 1942 in Übereinstimmung mit der Transportliste 171 Deportierte aus dem Bereich der Gestapo Leipzig. Ursprünglich sollten 150 Menschen aus Leipzig deportiert werden [StadtA Leipzig, ErnA Nr. 6]. Stolz berichtete jedoch der frühere Leipziger Stadtdirektor Furch in einem Schreiben an Oberbürgermeister Freyberg vom 14.7.42: "In die Vorbereitungsarbeiten zum Abtransport von Juden habe ich mich anläßlich meines Leipziger Aufenthalts eingeschaltet und erreicht, daß gegen 170 Juden am Montag, dem 13. Juli 1942, forttransportiert wurden." [M. Unger, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1963, 9, 942-957]


Die Namen der 18 deportierten Chemnitzer Juden sind aus mehreren erhalten gebliebenen Listen bekannt. Dagegen sind für den Teiltransport aus Dresden keine Namenslisten überliefert. Die Zahl der Deportierten kann jedoch mit Hilfe der Statistik der Reichsvereinigung ermittelt werden. Diese registrierte für den Juli 1942 neben 18 Deportierten aus dem Bereich der Gestapo Chemnitz auch 166 Deportierte aus dem Gestapobezirk Dresden-Bautzen. Da in den drei Transporten vom 1., 14. und 28.7. aus Dresden nach Theresienstadt 150 Menschen deportiert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass von der Deportation nach Auschwitz 16 Menschen betroffen waren.


Darüberhinaus verzeichnete die Statistik der Reichsvereinigung im Monat August jeweils einen Deportierten aus den Gestapobezirken Halle, Erfurt und Weimar. Hierbei handelte es sich vermutlich um eine Nachmeldung für 3 jüdische Menschen aus der Landesheilanstalt Altscherbitz bei Schkeuditz, die am 13.7. von der Gestapo abgeholt wurden [F. Hirschinger, "Zur Ausmerzung freigegeben", Köln u.a. 2001, S. 184], darunter Martha Windmüller aus Halle. Wie in der Heil- und Pflegeanstalt Dösen sowie anderen Pflegeeinrichtungen Deutschlands waren auch die letzten jüdischen Patienten aus Altscherbitz von der reichsweiten Säuberung "deutscher Heil- und Pflegeanstalten" im Juli 1942 betroffen und nach Auschwitz deportiert worden.


Dem Sammeltransport mit 130 Menschen aus Luxemburg und Süddeutschland sowie 208 Menschen aus Sachsen wurden nach der Abfahrt von Chemnitz weitere Teiltransporte aus dem Sudetenland (siehe hier) und Oberschlesien (siehe hier) angeschlossen, so dass schließlich mehr als 900 Menschen in Auschwitz eingetroffen sind. Häftlingsnummern sind weder aus dem Transport vom 11.7. noch aus dem vom 13.7.42 bekannt. Es muss davon ausgegangen werden, dass sämtliche Insassen der Deportationszüge nach der Ankunft ohne Selektion von Arbeitsfähigen ermordet wurden.


Die abgebildeten Transportlisten befinden sich im Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig, Bestand 2/66 (Chemnitz) und 2/84 (Leipzig), und sind in einer Kopie des USHMM, Bestand RG-14.035, Reel 11 und 14, reproduziert. Durch Yad Vashem wurde die Liste aus Chemnitz online zugänglich gemacht, siehe hier. Dazu abgebildet ist eine rekonstruierte Liste für den Teiltransport aus Dresden mit den Namen von 11 der 16 deportierten Menschen, wobei allerdings für drei der aufgeführten Menschen (Sarah Feldmann, Antonie Kaltofen, Elsa Stern) die Einteilung zum Transport unsicher ist.

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