Statistik und Deportation
der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Mit einem zweiten Transport aus den Regierungsbezirken Aachen und Koblenz wurden am 30.4.42 insgesamt 770 Menschen nach Krasniczyn in den Distrikt Lublin des Generalgouvernements deportiert. Die Zahl der Transportteilnehmer kann aus der Monatsstatistik der Reichsvereinigung für den Mai 1942 entnommen werden, die, offensichtlich in einer Nachmeldung für April, 8 Deportierte aus Aachen und 762 aus Koblenz verzeichnete. Laut Angaben der Jüdischen Sozialen Selbsthilfe im Generalgouvernement ist ein Transport aus Deutschland mit 1000 Personen am 3.5. in Krasniczyn eingetroffen [Archiwum Żydowskiego Instytutu Historycznego, 211/606]. Hierbei dürfte es sich, trotz der abweichenden Angabe zur Zahl der Deportierten, um den Koblenzer Transport gehandelt haben. Wenige Tage zuvor waren bereits annähernd 1000 Menschen aus Franken in Krasniczyn eingetroffen (siehe hier).


Eine Liste der "Juden aus dem Landkreis Koblenz, die am 30.4.1942 abtransportiert worden sind", führt die Namen von 2 Deportierten aus Vallendar und 80 aus Bendorf-Sayn auf [LHA Koblenz, 717/919]. In weiteren Namenslisten sind darüberhinaus 25 Deportierte aus der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn verzeichnet, die eine nichtdeutsche Staatsbürgerschaft hatten [LHA Koblenz, 717/966]. Hierunter befindet sich Rosa Preminger, deren Name jedoch auch in der Transportliste vom 15.6.42 enthalten ist (siehe hier), so dass angenommen werden kann, dass sie kurz vor dem Abtransport zurückgestellt worden ist. Abzüglich einer Doppelmeldung (Friedrich Stern) sind in den Koblenzer Listen somit insgesamt 103 Deportierte aus Bendorf-Sayn aufgeführt. 95 von ihnen waren Insassen der Anstalt und 8 Angestellte. Die hier abgebildeten Listen für den Landkreis Koblenz befinden sich im Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 717/919 und 966.

Koblenz - Aachen nach Krasniczyn

Abfahrtsdatum: 30.04.42, Deportierte: 770

Landkreis Koblenz

Dem an Nr. 16 der "Liste der aus der Heil - u. Pflegeanstalt am 30.4.1942 evakuierten Juden" aufgeführten Salomon Tepper gelang zunächst die Flucht. Wie aus einem Karteieintrag der Gestapo Koblenz [Arolsen Archives] hervorgeht, ist er "am 30.4.42 aus dem Evakuierungstransportzug gesprungen. Er wurde in Weimar aufgegriffen und mit Sammeltransport nach hier überführt. Tepper ... ist wieder als Kranker aufgenommen worden." In der "Liste der in der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn, Hindenburgstr. 49 untergebrachten kranken Juden" wird Salomon Tepper unter Nr. 97 verzeichnet (siehe hier). Am 15.6.42 wurde er zusammen mit 330 Kranken und Angestellten aus Bendorf-Sayn vermutlich in das Generalgouvernement deportiert.


Aus zeitgenössischen Dokumenten sind nur wenige weitere Angaben zu den Deportierten des 30.4.42 aus dem Regierungsbezirk Koblenz bekannt. So wurden durch den Landrat des Landkreises Ahrweiler zwei Aufstellungen mit den Namen von 21 jüdischen Bewohnern der Städte Remagen und Sinzig an die Gestapo in Koblenz übermittelt, die am 26.4. "unbekannt wohin verzogen" bzw. "ausgewandert" sind. Die Dokumente befinden sich in den Arolsen Archives und sind untenstehend reproduziert. Darüberhinaus befinden sich in den Arolsen Archives für eine Reihe von Orten der übrigen Landkreise des Regierungsbezirks Namenslisten aus der Nachkriegszeit, die zumeist anhand der Melderegister erstellt wurden und Hinweise auf die Deportation von jüdischen Einwohnern am 30.4.42 enthalten.


So wurden im Landkreis Altenkirchen 6 Bewohner der Gemeinde Oberlahr am 30.4. als "unbekannt verzogen" abgemeldet. Für den Landkreis Birkenfeld gibt es Hinweise auf 24 Deportierte aus Sötern, 8 aus Idar-Oberstein und je 4 aus Bosen und Herch-Haupersweiler. In Listen für den Landkreis Kreuznach werden je 4 Bewohner aus Langenlonsheim und Meddersheim sowie 3 aus Sobernheim aufgeführt, die im April 1942 zum Transport nach Bad Kreuznach abgemeldet wurden. Auch 3 Bewohner aus Münstermaifeld im Landkreis Mayen, die nach der Liste der dortigen Amtsverwaltung 1942 abtransportiert wurden, gehörten vermutlich zu den Deportierten des 30.4. Bei 24 jüdischen Bewohnern des Landkreises Neuwied ist bereits der 30.3. als Abmeldedatum "nach unbekannt" in den Unterlagen der Meldebehörde verzeichnet, darunter für 7 Menschen aus Heimbach (von ihnen wurden Benny und Sybilla Salomon zunächst nach Bendorf-Sayn gebracht und von dort am 15.6.42 abtransportiert), 4 aus Gladbach, 12 aus Linz/Rhein und 1 aus Rheinbreitbach. Im Landkreis Simmern waren lt. Meldeunterlagen zumindest 28 Bewohner betroffen, darunter 9 Menschen aus Kastellaun, 7 aus Laufersweiler sowie je 6 aus Rheinböllen und Simmern, und im Landkreis Zell 3 Einwohner aus Merl/Mosel, die "am 30.4.42 mit einem Sammeltransport nach einem unbekannten Ziel deportiert" wurden.

Landkreis Ahrweiler

Landkr. Altenkirchen

Landkreis Birkenfeld

Landkreis Kreuznach

Landkreis Mayen

Landkreis Neuwied

Landkreis Simmern

Landkreis Zell

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Die Rekonstruktion der Transportliste ist aufgrund der begrenzten Quellenlage mit Schwierigkeiten verbunden, zumal auch die Ergänzungskarten zur Volkszählung von 1939, die wichtige Hinweise zu den vor der Deportation noch registrierten jüdischen Einwohner geben könnten, für das Rheinland nicht überliefert sind. Dennoch ist es gelungen, die Namen von 740 der 762 deportierten Menschen zu ermitteln, von denen aufgrund der oben angegebenen Nachweise sowie weiteren Quellen mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sie mit dem Transport vom 30.4.42 aus dem Gestapobereich Koblenz nach Krasniczyn deportiert worden sind. Wichtige Hinweise geben u.a. die Karteikarten der Gestapo Koblenz, die sich im LHA Koblenz und in Kopie in den Arolsen Archives befinden. Diese enthalten bei einer Anzahl von Personen die Eintragung, dass sie am 30.4.42 "mit unbekanntem Ziel ins Ausland verzogen" sind. Allerdings enthält die Gestapokartei auch fehlerhafte Einträge, so für die Brüder Julius und Richard Hirsch aus Kastellaun. Während Julius mit seiner Ehefrau nach Bolivien emigrieren konnte, ist Richard in Köln verhaftet und von dort nach Auschwitz gebracht worden (Hinweise von Doris Wesner).


Von den verschiedenen Regional- und Lokalstudien, die für die Rekonstruktion herangezogen wurden, seien beispielhaft die Arbeiten für den Landkreis Birkenfeld von R. Schmitt (Gedenkbuch - Die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung aus den Orten des Birkenfelder Landes 1933 - 1945, 2011) und E. Tigmann/M. Landau (Unsere vergessenen Nachbarn, St. Ingbert 2010) genannt. Durch die Unterstützung von Meldeämtern, Standesämtern und Stadtarchiven konnten zahlreiche Personendaten und Abmeldezeitpunkte ermittelt bzw. überprüft werden, so anhand der Unterlagen der Stadtarchive von Bad Hönningen, Bad Kreuznach, Bad Neuenahr, Linz/Rhein, Mayen und Neuwied. Mit Hilfe der Meldekarten im Stadtarchiv Bad Kreuznach gelang es dabei, eine große Zahl bisher unbekannter Schicksale zu klären und 46 der 58 am 30.4.42 verschleppten jüdischen Einwohner zu ermitteln. Die Namen von 12 Personen aus Bad Kreuznach sind bisher nicht bekannt. Eine große Unterstützung waren weiterhin die Arbeiten von Heimatforschern, so von Doris Wesner für die Schicksale jüdischer Verfolgter in den früheren Landkreisen St. Goar und Simmern.

Orte, aus denen deportiert wurde (nach obiger Liste)









Ahrweiler

21


Hoppstädten-Weiersbach

9


Oberreidenbach

3

Andernach

5


Horhausen

2


Oberwesel

9

Bacharach

2


Idar-Oberstein

11


Oberzissen

2

Bad Kreuznach

46


Illerich

1


Ochtendung

1

Bad Neuenahr

18


Kaisersesch

8


Plaidt

3

Baumholder

2


Karden

5


Puderbach

8

Bendorf-Sayn

103


Kastellaun

6


Remagen

9

Binningen

12


Kennfus

3


Rheinböllen

6

Birkenfeld

2


Kirn

5


Rheinbreitbach

1

Boppard

21


Kochem

2


Rheinbrohl

2

Bosen

16


Königsfeld

5


Ruthweiler

1

Brauweiler

1


Kottenheim

11


Saffig

3

Brodenbach

15


Kruft

3


Seibersbach

6

Brohl

3


Langenlonsheim

6


Sien

4

Bruschied

5


Laufersweiler

7


Simmern

6

Bruttig

5


Lehmen

2


Simmern unter Dhaun

1

Büchel

6


Leubsdorf

2


Sinzig

12

Burgbrohl

2


Linz/Rhein

9


Sobernheim

3

Burgen

5


Löf

1


Sohren

2

Dernau

2


Mayen

53


Sötern

30

Düngenheim

2


Meddersheim

3


Staudernheim

1

Ediger

4


Meinborn

3


Thallichtenberg

4

Eller

2


Meisenheim

4


Thür

3

Fahr

2


Merl/Mosel

2


Türkismühle

1

Gelsdorf

3


Müllenbach

4


Vallendar

2

Gemünden

2


Münstermaifeld

12


Waldbreitbach

1

Gladbach

2


Neuwied

39


Wallhausen

2

Gonnesweiler

1


Niederbieber

8


Wehr

3

Hambuch

6


Niederheimbach

8


Weierbach

3

Haupersweiler

4


Niedermendig

5


Weinsheim

2

Heimbach

6


Niederzissen

13


Werlau

6

Heimersheim

6


Nierendorf

4


unbekannt

22

Hirzenach

4


Oberbieber

1




Hönningen

3


Oberlahr

4